Aufbau von Naturschutzbund-Gruppen und Landesverbänden

„In allen Teilen der DDR haben sich in den vorangegangenen Wochen Initiativgruppen zur Gründung von Naturschutzverbänden konstituiert.“
– Heinz Nabrowsky, Gründungsvorsitzender des Naturschutzbund der DDR

Heinz Kowalski, damals Mitglied im DBV-Landesvorstand Nordrhein-Westfalen, zur Patenschaft von West- und Ost-Landesverbänden

Das Zivilgesetzbuch der DDR aus dem Januar 1976 erlaubte zwar die Gründung und Tätigkeit von Vereinigungen, im Alltag wurde davon jedoch nur wenig Gebrauch gemacht. „Die Masse war entweder im Kulturbund organisiert oder sie waren im VKSK, des Vereins für Kleintierzüchter und so weiter. … Für uns war ja das ganze Vereinsleben etwas völlig Neues, das ganze Vereinsrecht war etwas völlig Neues“ [1]. Dennoch wuchs im Wendejahr 1990 bei vielen Naturschützern der DDR der Wunsch, eigene Vereinsstrukturen aufzubauen.

Zu denen, für die die Zeit reif war und die sich verselbständigen wollten, gehörte der Herpetologe Heinz Nabrowsky. „In allen Teilen der DDR haben sich in den vorangegangenen Wochen Initiativgruppen zur Gründung von Naturschutzverbänden konstituiert“, stand in der Einladung, mit der er im Namen der Initiativgruppe Berlin für den 10.3.1990 in den Hörsaal 222 des Ost-Berliner Naturkundemuseums zur Gründung des „Naturschutzverband der DDR“ einlud. Ziel der Veranstaltung sollte es, durch „ein koordiniertes Handeln aller am Schutz der Natur Beteiligten diese Situation [zu] verbessern“ [2]. Die Anwesenden wählten einen vorläufigen Vorstand mit Heinz Nabrowsky an der Spitze. Die Marschrichtung war klar: Möglichst viele Experten und Laien aus den Fachausschüssen, Fachgruppen und Arbeitskreisen des Kulturbundes sollte eine neue „Heimat“ gegeben werden.

Während in Berlin die Diskussionen um die Satzung des neuen „Naturschutzbund der DDR“ noch andauerten, erfuhr Nabrowsky in einem Telefonat von Dr. Justus Oertner, der sich zeitgleich mit Gleichgesinnten im Leipziger Naturkundemuseum zur Gründung eines Landesverbands der drei sächsischen Bezirke im Naturschutzbund der DDR zusammengefunden hatte: „Wir sind schon fertig. Alles klar. Alles wieder nach Hause gegangen“ [3]. In Leipzig waren fast 30 Naturschützer der Einladung von Klaus Handke, Dr. Justus Oertner und Gerhard Fröhlich gefolgt. Neben Dr. Oertner und Gerhard Fröhlich wurden Rolf Kretzschmar und Dr. Leglar zum Vorstand gewählt.

Die konzeptionellen Überlegungen, die sich mit der Gründung des Naturschutzbunds der DDR verbanden, hatte Dr. Heinz Litzbarski vom BFA Ornithologie bereits in einem Schreiben vom 23.2.1990 an Heinz Nabrowsky dargelegt. Angestrebt werden würde ein Naturschutzbund, „in dem alle interessierten FG, AG, o.ä, Einzelpersonen und Fördermitglieder tätig“ sein könnten. Innerhalb des Verbandes sollten sich Basisgruppen bilden, die „weitgehende Selbständigkeit“ und „große Finanzhoheit“ erhalten und „als Glieder des Naturschutzbundes auch als juristische Person“ gelten würden. Obwohl sich die DDR nicht in Länder gliederte, war die Bildung von „Landesstrukturen“ bereits ins Auge gefasst, um „bei einer Einheit Deutschlands eine nahtlose Verbindung mit dem Naturschutzverband DBV“ eingehen zu können [4]. Erwartet wurde, dass die neue Naturschutzvereinigung etwa der Hälfte der GNU-Aktiven eine neue Heimat bieten könnte [5].

Wie ein solcher Naturschutzverband funktionieren könnte, hatte der DBV einem ausgewählten Kreis von DDR-Naturschutzvertretern in einem Wochenendseminar vom 16. bis 18.2.1990 im DBV-Naturschutzseminar Sunder vorgestellt. Der niedersächsische Landesvorsitzende Egbert Schulz stellte die Arbeit eines Landesverbands exemplarisch vor und die Vorsitzende der DBV-Kreisgruppe Salzgitter, Petra Wassmann, referierte aus der Arbeit einer Untergliederung [5].

Die Gründung des Naturschutzbunds stieß jedoch nicht auf uneingeschränkte Sympathien. Der Vorsitzende des Bund für Naturschutz Sachsen, Kreisverband Grimma, ließ Nabrowsky brieflich wissen, dass er die Gründung eines Naturschutzbunds der DDR als eine „5 Minuten nach 12.00 Uhr-Aktion“ betrachte [6]. Andere suchten eigene Wege und riefen beispielsweise zur Gründung des „Verband für Ornithologie und Naturschutz“ [7] oder des Vereins „Deutsche Natur- und Heimatfreunde“ [9] auf. Im April 1990 bildete sich in der Nachfolge der „Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz (GNU)“ der „Bund für Natur und Umwelt beim Kulturbund e.V.“, der sich im Herbst des selben Jahres in „Bund für Natur und Umwelt (BNU) e.V.“ [9].

In den folgenden Monaten gründeten sich DDR-weit weitere Landesverbände. Am 14.3.1990 bildete sich unter dem Vorsitz von Thomas Tennhardt der Naturschutzbund Landesverband in Ost-Berlin. 15 Naturfreunde und Naturschützer aus verschiedenen Kreisen der Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg vollzogen am 17.3.1990 im Rostocker Ständehaus die Gründung des Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern im Naturschutzbund Deutschland. Im Gründungsprotokoll wurd vermerkt, dass sich „dieser Naturschutzbund … als eigener Landesverband innerhalb des Naturschutzbundes ‚Deutscher Bund für Vogelschutz’“ betrachtet. Der 31.3.1990 war das Gründungsdatum des Naturschutzbund Brandenburg. Am 1.9.1990 kam der Landesverband Sachsen-Anhalt hinzu.

Am 16.6.1990 trafen sich Prof. Dr. Michael Succow, der Vorsitzende des Naturschutzbund der DDR, Heinz Nabrowski, und die Vorsitzenden der Landesverbände der DDR in Ostberlin. Am Nachmittag berieten sie erstmals gemeinsam mit den Vorsitzenden der Landesverbände des DBV, dessen Präsidium und dem Jugendvorstand. Auf der Tagesordnung standen unter anderem Fragen zur Namensänderung sowie zur Einbindung von Fachgruppen. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit wurden Partnerschaften zwischen den west- und ostdeutschen Landesverbänden verabredet.

Selbständige Basisgruppen gründen sich

“… kam es also am 13. Juni 1990 in Schwedt zur Gründung des Kreisverbandes des Naturschutzbundes, eigentlich, nach den Prinzipien und Grundsätzen des im März gegründeten Landesverbandes Brandenburg. … ich glaube, an der Gründungsversammlung da waren rund 30 Leute. … da wurde dann auch der Vorsitzende gewählt und der Schriftführer, zweiter Vorsitzender, Kassenwart, also nach den Prinzipien des Vereinsrechts. Das war ja damals für uns gar nicht so normal. Das war für uns neu …“
– Dr. Rotraud Gille, NABU-Regionalverband Schwedt, Interview v. 9.9.2015

Angeregt durch Kontakte, die auf dem deutsch-deutschen Umweltreffen in Berlin geknüpft worden waren, sowie durch die Gründung des Naturschutzbunds Brandenburg triebt das Ehepaar Dr. Rotraud und Dr. Helmut Gille zusammen mit Gleichgesinnten in Schwedt die Gründung eines Naturschutzbund-Kreisverbands voran. Am 13.6.1990 fanden sich „rund 30 Leute“ zur Gründungsversammlung zusammen und am 12.11.1990 erfolgte die Eintragung ins Vereinsregister [3]. Im damaligen DDR-Kreis Arnstadt gehörte Lutz Reißland zu den Kulturbund-Naturschützern, die sagten „Ja, wir müssen mal was gründen“, um dann in Thüringen Ortsgruppen und Kreisverbände ins Leben zu rufen. [6]

Fußnoten:

[1] Dr. Dientrich v. Knorre, Interview v. 11.8.2015
[2] Einladung zur Gründungsversammlung des Naturschutzbund der DDR
[3] Heinz Nabrowsky, Interview v. 5.10.2015
[3] Hans-Jörg Wilke, NABU-Regionalverband Schwedt, Interview v. 9.9.2015
[4] Hans Kaufmann, Bund für Naturschutz Sachsen, Kreisverband Grimma, brfl. v. 2.3.1990
[5] Programm des Seminars „Wie funktioniert ein Naturschutzverband in der Bundesrepublik Deutschland – Ziele, Aufgaben, Aktionen, Probleme“ beim DBV-Naturschutzseminar Sunder vom 16. bis 18.2.1990
[5] Dr. Heinz Litzbarski, Brf v. 23.2.1990
[6] Lutz Reißland, Interview v. 8.11.2015
[7] 1990-03-10_Naturschutzbund_DDR_Gruendungserklaerung.pdf
[9] BNU-IUGR-Mitteilungen 3/1992

 

Text: Ralf Schulte

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