Ohne Namensänderung kein gemeinsamer Verband

Den Vertretern des Deutschen Bund für Vogelschutz (DBV), die in den Wendemonaten der Jahre 1989 und 1990 mit DDR-Naturschützern des Kulturbunds Gespräche über eine gemeinsame naturschutzverbandliche Zukunft führten, wurde schnell klar, dass dieses für den DBV mit einem Namenswechsel verbunden sein würde. Während sich die Ornithologen vielleicht noch eine Mitgliedschaft im DBV vorstellen konnten, aber auch die Gründung eines eigenen Verbandes ins Auge fassten, machten die Botaniker, Entomologen, Herpetologen und die anderen Fachgruppen keinen Hehl daraus, dass sie sich in einem Verein des Vogelschutzes nicht richtig aufgehoben fühlten. Von der Bereitschaft des DBV zur Namensänderung hing daher der Erfolg oder Misserfolg des Zusammenschlusses der Ost- und Westnaturschützer in einem gemeinsamen Verband ganz entscheidend ab.

Der damalige DBV-Vizepräsident Jochen Flasbarth über die Rolle der Naturschutzjugend bei der Namensgebung des zukünftigen Naturschutzverbands.

Der DBV streitet über seinen Verbandsnamen

Die Namensfrage gehörte bereits in den Jahren vor der Wende zu den heiß und sehr kontrovers diskutierten Themen im DBV. Die Verabschiedung des Gießener Programms im Jahre 1979 machte bereits deutlich, dass der DBV mittlerweile zu mehr als nur einem monothematischen Vogelschutzverein geworden war. Er kümmerte sich auch um wildlebende Pflanzen- und Tierarten einschließlich ihrer Lebensräume und griff Fragen der Landnutzung oder des Gewässerschutzes auf. Die Bereitschaft, dieses breite Spektrum auch im Verbandsnamen auszudrücken, war jedoch gering.

Abkürzungs-Varianten, die zur Diskussion standen. (c) NABU

Die von der „Jugend“ durchgesetzte Umbenennung der Mitgliederzeitschrift „Wir und die Vögel“ in „Naturschutz heute“ im Jahre 1985 kann als der erste Etappensieg derjenigen angesehen werden, die sich für eine Namensänderung stark machten. Die zwei Jahre später von der DBV-Jugend beschlossene Umbenennung in „Naturschutzjugend im DBV“ zeigte ebenfalls überdeutlich, aus welcher Richtung der Wind der Veränderung besonders stark blies. Letztendlich passte der Erwachsenenverband seinen Namen und sein Emblem an und führte die Bezeichnung „Naturschutzverband Deutscher Bund für Vogelschutz“.

Den Modernisierern war jedoch auch das noch nicht genug. So stellte Petra Wassmann am 30.1.1989 im Namen der DBV-Kreisgruppe Salzgitter an die Bundesmitgliederversammlung den Antrag auf „Änderung unseres Verbandsnamens in: Deutscher Naturschutzverband (DNV)“. In der Begründung hieß es: „Der Verbandsname sollte/muß die tatsächlich geleistete Arbeit und das dahinterstehende Programm sowie die vorhandenen Fähigkeiten widerspiegeln“. Im Übrigen sei der vorgeschlagene Name „als Untertitel ja bereits vorhanden“.

Unterstützung erfuhr der Wunsch nach Namensänderung u.a. von dem renommierten Naturschutz-Wissenschaftler und DBV-Mitglied Prof. Dr. Wolfgang Erz. Der niedersächsische Landesvorsitzende Egbert Schulz befürchtete sogar, dass der DBV das Feld im ehrenamtlichen Naturschutz dem BUND überlassen und zu „einer relativen Bedeutungslosigkeit“ absinken würde, wenn die Namensänderung nicht „so schnell wie möglich“ beschlossen werden würde (Brf. v. 21.7.1989).

Zu den vehementen Gegnern einer Namensänderung zählte neben den Landesverbänden Hessen und Baden-Württemberg unter anderem auch die DBV-Kreisgruppe Bonn, deren Mitgliederversammlung am 15.3.1989 in einer Resolution ihr „Befremden“ über die beantragte Namensänderung zum Ausdruck brachte und den Beschluss des nordrhein-westfälischen Landesvorstandes missbilligte, dem Änderungsantrag auf der Vertreterversammlung zuzustimmen. „Wir verurteilen aufs schärfste das heimliche Vorgehen von Landesvorstand und Präsidium“. Der Geschäftsführer des Landesverbands Baden-Württemberg, Dr. Wolfgang Epple, warf den Mitgliedern von DBV-Präsidium und Hauptausschuss in einem Brief vom 10.4.1989 sogar eine zumindest teilweise bewusste „Falschinformation“ der Delegierten vor. Die Behauptungen, dass auch die englische RSPB (Royal Society for the Protection of Birds) ihren Namen in „Nature Conservation“ ändern wolle und dass man „Deutscher Naturschutzverband“ heißen müsse, um als deutscher Vertreter in einer zukünftigen europäischen Naturschutzorganisation mitwirken zu können, würde laut Dr. Epple „nicht den Tatsachen“ entsprechen.

In Anbetracht dessen dürfte die von Klaus Dürkop gegenüber dem stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbandes Baden-Württemberg geäußerte Auffassung, dass die „Diskussion um die Namensänderung … sicherlich nicht ganz emotionslos zu führen“ sei (Brf. v. 7.6.1989), nicht die tatsächliche Härte der Auseinandersetzung, in der an anderer Stelle sogar von „jämmerlichen Auseinandersetzungen kleinster Portionierung“ gesprochen wurde (Brf. J. Flasbarth an C. König v. 30.6.1989), wiedergegeben haben.

Der Naturschutzbund der DDR als Weichensteller

„Dies macht erneut deutlich, dass sich dem DBV die sicherlich einmalige Chance bietet, durch die Namensänderung in Naturschutzbund Deutschland die Basis für eine Naturschutzorganisation zu schaffen, die auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik und der DDR tätig sein kann.“
– Christian Unselt, brieflich v. 12.3.1990

Während die Befürworter und Gegner einer Namensänderung noch auf den verschiedenen Ebenen des Verbandes ihren Meinungsstreit austrugen und die Ergebnisse einer Meinungsumfrage unter den DBV-Gruppen diskutierten, gaben der Mauerfall und die rasant fortschreitenden politischen Entwicklungen in der DDR der Diskussion eine vollkommen neue Richtung. In den Gesprächen, wie sie beispielsweise von Klaus Dürkop, Christian Unselt oder den in Ost-Berlin studierenden Markus Rösler geführt wurden, ging es immer auch um die Frage eines möglichen Zusammenschlusses mit jenen Naturschützern, die für sich im Kulturbund keine Zukunft sahen. Den Vertretern aus der Führung des DBV wurde recht schnell klar, dass die Änderung des Namens eine unabdingbare Voraussetzung für das Gelingen eines Zusammenschlusses sein würde.

Für Christian Unselt waren dabei durchaus „unterschiedliche Strömungen“ im DBV-Präsidium spürbar. Während die Befürworter des Namenswechsels in der Öffnung des Verbandes für die Ost-Naturschützer eine Chance für ihr Anliegen sahen, bemühte sich die Contra-Seite um den Schulterschluss mit den Ornithologen der DDR. Prof. Rutschke, der mit einer fünfköpfigen Delegation die Sitzung des DBV-Hauptausschusses am 20.1.1990 in Bonn besuchte, informierte über die Absicht, „bis zum März 1990 einen Ornithologen-Verband“ zu gründen (Protokoll d. HA-Sitzung v. 1.2.90).

Das Seminar „Wie funktioniert ein Naturschutz in der Bundesrepublik Deutschland?“, zu dem das DBV-Präsidium Naturschützer aus der DDR in das DBV-Naturschutzseminar Sunder am Rande der Südheide einlud, spielte für die in den Frühjahrswochen des Jahres 1990 vorgenommenen Weichenstellungen eine wichtige Rolle. Bei dieser Sitzung wurde deutlich, dass die Naturschützer aus der DDR einerseits dem DBV gegenüber sehr aufgeschlossen waren, andererseits in der DDR einen Naturschutzverband gründen wollten, der als „Naturschutzbund“ auch namentlich für das breite im Verband vertretene fachliche Spektrum stehen würde (s. Antrag des DBV-Präsidiums zur a.o. VV am 6.5.1990).

Tatsächlich gründeten rund 100 Personen auf Einladung des Ostberliner Herpetologen Heinz Nabroswky am 10.3.1990 im Hörsaal 222 des Berliner Naturkundemuseums eine DDR-weite Naturschutzorganisation. Dabei handelte es sich aber nicht um den von Rutschke angekündigten „Ornithologen-Verband“, sondern um den „Naturschutzverband in der DDR“. „Zeitgleich fand in Leipzig eine Versammlung statt, in der der ‚Naturschutzbund in der DDR – Landesverband Sachsen‘ gegründet wurde.” (Brf. C. Unselt an DBV-Präsidium und DBV-Landesvorsitzende v. 12.3.1990). Obwohl sich die DDR zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Länder gliederte, bildeten sich in den folgenden Wochen die Landesverbände Mecklenburg (17.3.1990) und Brandenburg (31.3.1990) des „Naturschutzbundes in der DDR“.

Der DBV unter Zugzwang

Der im März 1990 gegründete Naturschutzbund in der DDR, der von einem Vorstand aus je zwei Vertretern der (zukünftigen) Länder, je einem Vertreter der Fachgruppen sowie dem Vorsitzenden Nabrowsky geleitet wurde, verstand sich bereits als Mitgliederverband mit Landesverbänden (obwohl es in der DDR zu dieser Zeit keine Länder gab) und örtliche Gruppen. Ziel war es, die Fachgruppen der Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU) im Kulturbund in den neuen Verband zu integrieren.

Christian Unselt, der gemeinsam mit dem Berliner DBV-Vorsitzenden Hans-Jürgen Storck an der Gründung des Naturschutzverbandes in der DDR teilnahm, berichtete brieflich am 12.3.1989 an das DBV-Präsidium und die DBV-Landesvorsitzenden: „Dies macht erneut deutlich, dass sich dem DBV die sicherlich einmalige Chance bietet, durch die Namensänderung in Naturschutzbund Deutschland die Basis für eine Naturschutzorganisation zu schaffen, die auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik und der DDR tätig sein kann“.

Durch die von den DDR-Naturschützern geschaffenen Fakten geriet der DBV unter Zugzwang. Das DBV-Präsidium entschloss sich daraufhin, kurzfristig für den 6.5.1990 eine außerordentliche Vertreterversammlung in Worms einzuberufen. Dort sollte „die Umbenennung des DBV in ‚Naturschutzbund Deutschland e.V.’“ beantragt und beschlossen werden. Das Kürzel DBV und der Weißstorch sollten als Elemente des Emblems erhalten bleiben (Antrag des DBV-Präsidiums zur a.o. VV am 6.5.1990).

Die Kontroverse geht weiter

Logo-Varianten, die zur Diskussion standen. (c) NABU

Der innerverbandliche Widerstand gegen die Namensänderung hielt jedoch an. „Eine kleinere Gruppe von engagierten Mitgliedern des DBV in Baden-Württemberg“ drohte, im Falle des Namenswechsels einen Bund für Vogelschutz zu gründen (Brf J. Flasbarth an RA Marcus v. 26.4.90). Trotzdem beschlossen 55 der 69 stimmberechtigten Delegierten nach mehr als dreistündiger Debatte, den Verbandsnamen zu ändern. In Heft 2/1990 informierte Klaus Dürkop, jetzt als Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, über den neuen Namen. Dabei baute er eine Brücke zur akuten Neuorientierung des Naturschutzes in der DDR: Auch Vertreter des Naturschutzbundes von den Landesverbänden Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin (Ost), Sachsen und Thüringen seien nach Worms gekommen. Sie hätten für die Namensänderung plädiert, „um so bei einer Kooperation auch andere Fachgruppen innerhalb des Naturschutzes mit einbeziehen zu können“. Zumal sich die Bundesvertreterversammlung einstimmig und unter Zustimmung auch der Naturschutzbundvertreter aus der DDR für die baldige Zusammenführung des Naturschutzbundes Deutschland (West) und des Naturschutzbundes (Ost) zu einem gemeinsamen Verband aussprach.

Ein Kürzel und ein Logo werden gebraucht

„Also wir haben damals gesagt ‚Mein Gott, das klingt ja wie eine Hundefuttermarke‘. Wir fanden das wirklich schrecklich und taten uns am Anfang auch so ein bisschen schwer, das überhaupt auszusprechen. Um zu sagen ‚Ja, ich bin vom NABU‘. Mittlerweile, nach 25 Jahren ist das natürlich gang und gäbe.“
– Karin Zang, Interview v. 9.11.2015

Logo-Varianten, die zur Diskussion standen. (c) NABU

Ein Ende des Meinungsstreits bedeutete die Verständigung auf einen neuen Verbandsnamen jedoch nicht. Am 10.5.1990 meldete sich abermals die 1. Vorsitzende der Kreisgruppe Salzgitter, Petra Wassmann, brieflich zu Wort. Ihr erschien es „unabdingbar wichtig“ mit dem neuen Namen auch ein „neues Kürzel auf den Markt zu bringen“. Naheliegende Kürzel wie NBD oder NSB schieden für sie aus politischen Gründen „rigoros aus“. Ihr Vorschlag lautet: NaBu. „NaBu hebt sich mit 4 Buchstaben von den meisten üblichen Kürzeln ab, die Kombination von Groß- und Kleinbuchstaben ebenfalls“.

Der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Hermann Schultz plädierte ebenfalls für ein neues Logo. Da es aber um eine „Jahrhundertentscheidung“ handeln würde, mahnte er, sie nicht „über’s Knie zu brechen“ (Brf. H. Schultz an K. Dürkop v. 21.5.1990). Augenscheinlich schloss sich die Mehrheit seiner Auffassung an; denn sie entschieden sich für die Änderung der Verbandsnamens in Naturschutzbund Deutschland e.V. Die Frage des Logos bzw. des Namenskürzels blieb jedoch bis auf Weiteres ungeklärt.

Text: Ralf Schulte

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