Schutz des Weißstorchs
„Die innerdeutsche Grenze konnte man an der Verbreitung des Weißstorchs festmachen.“
– Dr. Holger Schulz
Für den Vogel- und Naturschutz in Mitteleuropa spielt der Weißstorch eine besondere Rolle. Er steht stellvertretend für viele Herausforderungen und Probleme, allen voran die Intensivierung der Landwirtschaft und der Verlust von feuchten Wiesen, mit denen sich der Naturschutz nach Ende des zweiten Weltkriegs konfrontiert sieht. An dem Zugvogel lässt sich zudem die internationale Dimension des Naturschutzes verdeutlichen.
Im Jahre 1966 wies der Internationale Rat für Vogelschutz (IRV), der im Westen Deutschlands durch den DBV vertreten wurde, dem Verband den Weißstorch als Wappenvogel zu. Seither steht Ciconia ciconia auch in besonderem Maße für den Natur- und Vogelschutz in (West-) Deutschland.
„Die innerdeutsche Grenze konnte man an der Verbreitung des Weißstorchs festmachen,“ so Holger Schulz, der lange Jahre das NABU-Institut für Wiesen und Feuchtgebiete in Bergenhusen in Schleswig Holstein leitete. Während im Westdeutschland das Aussterben des Weißstorchs befürchtet wurde, waren im Osten, trotz einer intensiven und großflächigen Landwirtschaft bis zur Wende noch genügend Lebensräume für Weißstörche übrig geblieben. Besonders in den Flussauen östlich der Elbe.
Anfängliche Schwierigkeiten
„Da haben wir uns zwar am Anfang auch sehr gerieben. Wir hatten immer so das Gefühl, also wir sollten hier im Osten ganz ruhig sein und von Westen wird das alles dirigiert.“
– Dr. Christoph Kaatz
Mit der Wende trafen Naturschützer aufeinander, deren Engagement zwar derselben Vogelart galt, deren naturschutzfachliche Positionen aber von deutlich unterschiedlichen Auffassungen geprägt war. In der DDR hatte sich der Weißstorch in relativ guten Beständen erhalten und gut organisiertes Netzwerk ehrenamtlicher Weißstorchschützer kümmerte sich um seinen Erhalt. In der Bundesrepublik befanden sich die Weißstorch-Vorkommen im drastischen Rückgang. Die Zahl der aktiven Weißstorchschützer war ebenso überschaubar wie die Zahl der Störche.
Es verwundert nicht, dass die BAG Weißstorch des NABU, die mit der Wende zur gemeinsamen Plattform des Weißstorchschutzes wurde, als Austragungsort für die internen Konflikte und Spannungen herhalten musste. Es waren insbesondere der Tierarzt Dr. Christoph Kaatz, Sprecher der BAG Weißstorch und Gründer des Storchenhofs Loburg, und der im NABU hauptamtlich für den Storchenschutz zuständige Dr. Holger Schulz, die den Meinungsstreit austrugen.
Dr. Holger Schulz (re) und Kai-Michael Thomsen (li) vom Storchenzentrum Bergenhusen über anfängliche Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit DDR-Storchenschützern
Die Eheleute Kaatz vom Storchenhof Loburg über die Zusammenarbeit mit westdeutschen Weißstorchschützern
Tatsächlich konnte die DDR in den Kreisen und Bezirken auf ein gut funktionierendes Netz von Weißstorchbetreuern, das sich seit den 1960er Jahren kontinuierlich entwickelte zurückblicken. Diese ehrenamtlichen Naturschützer waren einerseits in den ornithologischen Fachgruppen des Kulturbundes und andererseits in den Naturschutzkollektiven bei den Räten der Kreise organisiert. Sie ermittelten die Brutbestände und Bruterfolge oder betreuten und errichteten Nistplätze. Seit 1979 erfolgte der Austausch über den Arbeitskreis Weißstorch im Kulturbund. Einer dieser ehrenamtlichen Weißstorchbetreuer war der Thüringer Klaus Schmidt.
Holger Schulz stand hingegen für die hauptamtliche Weißstorch-Forschung in Westdeutschland. Er besetzte im jungen Naturschutzbund jenen Posten, der – zumindest gefühlt – einem ostdeutschen Weißstorchspezialisten hätte zustehen müssen. Die Tatsache, dass er für den NABU den fünften internationalen Weißstorchzensus in den Jahren 1994/1995 organisieren musste und dazu die Unterstützung insbesondere der ostdeutschen Ehrenamtlichen benötigt, machte die Sache für ihn nicht leichter.
Text: Ralf Schulte | Marianne Kapfer